„108“, schießt es aus dem Vorsitzenden des Kreisschiedsrichterausschusses Lippstadt, Sebastian Rettler, heraus. 108 aktive Schiedsrichter vermeldet der heimische Fußballkreis aktuell. 108 müssen es – gemäß der Mannschaftsmeldungen – auch sein, so Rettler, um das Soll zu erfüllen. „Zu einhundert Prozent haben wir das erfüllt, was in Westfalen sicherlich einmalig ist“, freut sich der Lippstädter Schiedsrichterboss.
Mit Yvonne Andert (TV Kallenhardt) und Jennifer Jochheim (SW Overhagen) sind auch zwei weibliche Schiedsrichter dabei. Nur zwei! „Wir hätten gerne mehr weibliche Unterstützung“, verdeutlicht Rettler. Warum es aktuell so wenige sind, versuchen wir im Gespräch mit den Beteiligten zu klären. „Ich denke, dass hat in erster Linie studienbedingte Gründe“, führt Jennifer Jochheim, die seit knapp eineinhalb Jahren zur Pfeife greift, aus. Sebastian Rettler ergänzt: „Viele verlieren durch Studium, Beruf oder andere Dinge die Bindung. Bei Männern ist es teilweise so, die werden Schiedsrichter, wenn sie nicht mehr selber spielen können. Das ist natürlich bei Frauen deutlich früher der Fall als bei Männern. Männer hören teilweise mit Anfang 30 auf, richtig zu spielen. Bei Frauen ist das, vermute ich, fast schon mit Anfang/Mitte 20 der Fall. Dadurch, dass sie zwei Jahre früher Senioren spielen könnten, weil es ja keine A-Jugend gibt, hören sie dementsprechend auch ein bisschen früher auf als Männer – und verlieren dadurch vielleicht die Bindung zum Fußball.“Rettler wünscht sich, was den weiblichen Schiedsrichternachwuchs betrifft, folgendes: „Wenn wir auf fünf bis zehn Schiedsrichterinnen im Kreis kommen würden, wäre das schon super. Je mehr wir werden, umso einfacher ist es auch, neue zu gewinnen.“ Gerade in den unteren Jahrgängen fehle teilweise einfach das Interesse am Schiedsrichterjob, meint Jennifer Jochheim. Sebastian Rettler schiebt ein, dass bei entsprechendem Interesse ein separater Anwärterlehrgang nur für Schiedsrichterinnen angeboten werden könnte. „Das ist kein Problem“, sagt er.
Aber wie sind Yvonne Andert und Jennifer Jochheim eigentlich Schiedsrichterinnen geworden?
Andert, die seit gut 15 Jahren Spiele bis hoch zur Frauen-Landesliga leitet, berichtet: „Ich habe früher selber Fußball gespielt in Belecke, und dann gemeinsam mit Jessica Menke die U17-Mädchenmannschaft trainiert. Bei den Auswärtsspielen war nie ein Schiedsrichter dabei. Dann hat mich der Vorstand gefragt, ob ich nicht Lust hätte, Schiedsrichterin zu werden. Dann bin ich dabei geblieben, auch wenn ich zunächst noch selber weiter gespielt habe.“ Jennifer Jochheim kickt selbst noch aktiv mit bei der Kreisliga-Frauenmannschaft der SG Overhagen/Langenberg-Benteler. Die 27-Jährige erklärt: „Mich hat damals mein ehemaliger Trainer angequatscht, ob ich nicht Lust hätte, Schiedsrichterin zu werden. Der Start war schon ein bisschen holprig, würde ich sagen. Aber man schlägt sich so durch.“ Jochheim leitet Spiele in der Frauen-Kreisliga sowie Spiele im Jugendbereich.
Schiedsrichterboss Rettler ist froh, und auch ein bisschen stolz, dass die beiden Damen sich dazu entschlossen haben, Schiedsrichter zu werden. „Bei unseren Lehrabenden heißt es immer: „Hallo Yvonne, Hallo Jenny, liebe Sportfreunde. Das ist mir ganz wichtig“, schmunzelt Rettler. Auf die Frage, was die beiden als Schiedsrichter auszeichnet, findet Rettler schnell eine klare Antwort: „Bei Yvonne muss man ganz klar ihre Zuverlässigkeit nennen. Auf unserem letzten Lehrabend wurde sie sogar extra dafür ausgezeichnet, dass sie in der vergangenen Saison nicht ein einziges Spiel zurückgegeben hat, was aufgrund von Krankheit, beruflichen Verpflichtungen oder privaten Dingen immer mal passieren kann. Das ist schon eine tolle Leistung und in meinen Augen nicht selbstverständlich.“ Andert erhielt dafür eine neue Pfeife als Belohnung. „Und bei Jenny finde ich es gut, dass sie mich fordert. Wie können wir weiterkommen? Dass ich nicht auf dem Klassenlevel bleibe, auf dem ich gerade bin. Es gibt Schiedsrichter, die sagen, ich werde gar nicht gefördert. Und es gibt die, die sagen, ich möchte gerne gefördert werden. Nur denen können wir helfen.“
„Auf jeden Fall fühlen wir uns im Kreis unserer männlichen Kollegen gut aufgehoben“, lacht Jennifer Jochheim. Blöde Sprüche oder sonstige Anmerkungen gebe es keine, versichern beide. Negative Erfahrungen auf den Sportplätzen des Kreises haben beide bislang ebenfalls nicht gemacht. „Die ein oder andere Bemerkung von außerhalb gehört vielleicht auch einfach dazu“, merkt Yvonne Andert an. Doch da stehen die beiden drüber.
Und so soll es noch lange für die beiden einzigen Schiedsrichterinnen im Kreis Lippstadt heißen: „Gut Pfiff“.
[Quelle Bild und Text: Der Patriot GmbH]